Mit dem Fahrrad durch Kambodscha: von Battambang nach Pursat
Die Berliner Andrea und Klaus sind weiter mit Fahrrad und Drohne in Kambodscha unterwegs. Auf ihrer zweiten Etappe haben sie sich die Arbeit des Hilfsprojekts vor Ort näher angesehen und viel über Land und Leute erfahren.
Inhaltsverzeichnis
Seit November sind die beiden nun auf Tour. Unterwegs machen sie mit einer Drohne Luftaufnahmen. Ausgewählte Fotos kannst du gegen eine kleine Spende erwerben. Die Einnahmen fließen komplett an ein Hilfsprojekt in Kambodscha. Mehr Infos dazu gibt es auf der ihrer Aktions-Seite. Zudem findest du hier das Interview, das ich mit Andrea und Klaus kurz vor dem Start geführt habe. In den nächsten Wochen werden die beiden regelmäßig auf Faszination Südostasien über ihre Erlebnisse berichten.
Nun übergebe ich das Wort an Andrea:
Ein Monat Kambodscha
Weit sind wir noch nicht gekommen. Wir sind in Pursat!
Ja, jetzt grübelst du vielleicht. Wo soll das denn sein? Und wenn du es kennst, dann sicherlich nur als Durchgangsort. Wie und warum man hier eine ganze Woche bleiben soll, wird dir ein Rätsel sein. Aber dazu später mehr.
Unser letzter Bericht kam aus Battambang. Wir hatten viel Positives über das Städtchen gehört und auch die Reiseführer sind voller Lob, wie schön es dort sein soll. Man könne sich dort wohlfühlen. Und mit »man« sind sicherlich wir Ausländer gemeint.
Und wenn du möchtest, kannst du dich dort fast komplett nur unter anderen Reisenden bewegen. Vielleicht ist es das, was viele suchen: In einem so exotischen Land dann doch ein wenig Bekanntes zu finden. Und sei es nur das Schnitzel mit Bratkartoffeln. Und ich kann das total verstehen, auch wenn das nicht unsere Art zu reisen ist. Wir möchten in Kambodscha reisen. An den Menschen dran sein, die Gerüche aufnehmen, die Kultur ganz nah erleben mit all ihren Facetten, mit all den Missverständnissen und teilweise Unverständnis, aber auch mit all den unglaublich fröhlichen und herzlichen Momenten.
Und so haben wir uns täglich auf das Fahrrad gesetzt und sind losgefahren. Wir kamen vorbei an einer NGO, die eine Schule unterhält ausschließlich für Englisch-Unterricht. Wir radelten zum Wat Ek Phnom mit seinem gigantischen Buddha vor den Toren und fanden auch an der Straße viel Sehenswertes, wie zum Beispiel in gemütlicher Runde verweilende Schweinchen.
Natürlich haben wir uns auch um das Projekt WASH gekümmert und Schulen besichtigt, in denen so eine Anlage installiert ist. Wir waren dabei, als die für eine solche Anlage benötigten Teile produziert wurden und Mr. Bong, Verantwortlicher hier vor Ort, hat uns alles erklärt.
Und wir sind mit Mopeds und der »Crew« vom Projekt WASH rausgefahren in eine Jungle-School. Unerreichbar während der Regenzeit und selbst jetzt für alle Teilnehmer eine Herausforderung: drei Stunden über Dirt-Roads, durch Schlaglöcher und viele immer noch überschwemmte und dadurch kaum passierbare Abschnitte.
Aber es hat sich gelohnt. Mitarbeiter der »Kleinen Hilfsaktion« untersuchten in den letzten Tagen mehrere Tausend Menschen im Rahmen der Aktion »Augenlicht«. Lesebrillen wurden vor Ort verteilt. Schwerere Augenerkrankungen werden protokolliert und in den nächsten Monaten operiert. Die Kosten hierfür übernimmt u.a. die »Kleine Hilfsaktion e.V.«.
Wir waren bei einigen »Emergency Touren« dabei. Was das bedeutet, konnte ich mir nicht vorstellen und ich möchte auch gar nicht weiter darüber berichten, aber eines ist mir klar geworden: Die Aussage, der Staat müsse sich um seine Menschen kümmern, daher sei Entwicklungshilfe der falsche Ansatz, kann ich NICHT mehr gelten lassen.
Und welche Freude alleine ein wenig sauberes Wasser machen kann, sieht man in diesem Gesicht:
Das ist übrigens ein Junge, der ohne diese Schule direkt an der Müllhalde nie einen Zugang zu sauberem Wasser hätte. Helfer holen morgens die WastePicker, so werden die Kinder dort genannt, von der Halde und bringen sie in die Schule.
Kurze Auszeit
Das war nun also unser Aufenthalt in und um Battambang. Wir haben dann eine Woche Auszeit gebraucht und sind in die erst vor drei Monaten eröffneten Dream Bungalows (sehr empfehlenswert), zehn Kilometer nördlich von Battambang, gefahren und haben uns dort wieder sortiert.
Klaus hat die Zeit genutzt und gearbeitet. Dort gibt es zwar kein WLAN, dafür haben wir jedoch unser SkyRoam dabei. Das kostet 8 Dollar pro Tag. Das hört sich viel an, aber wenn man als Digitaler Nomade unterwegs ist, dann sind das halt die Ausgaben für einen ganzen Arbeitstag. Und bei so einem Büro, da quengelt man besser nicht.
Die Bungalows waren ein Traum und die Inhaber unglaublich hilfsbereit. Nach unserer Bitte, uns bei der Sprache zu helfen, hatten wir dann noch mehr Spaß. Warum auch immer, sie hatten viel zu lachen …
Aber natürlich mussten wir auch diesen Ort wieder verlassen und so ging es weiter. Mit einem Zwischenstopp kamen wir nach Pursat. Klaus erreichte die Nachricht, dass ein angefangener Job bis zum 18. Dezember fertig sein muss. Also war klar, wir würden wieder bleiben. In Pursat? Oh weh. Nicht wirklich ein Ort zum Verweilen dachte ich.
Aber es ist wie immer: Sich darauf einlassen ist besser als sich wehren. Hilft ja nichts. Der erste Abend auf dem Markt war allerdings nicht der leichteste Einstieg für meine Akzeptanz. Es war laut, voll, stank. So etwas hatte ich noch nie auf einem Markt erlebt. Wer hätte das gedacht, es geht immer noch heftiger. Aber jetzt erst recht.
Tag 1 in Pursat
Am nächsten Morgen packe ich meinen Rucksack mit allen nötigen Kamerautensilien und los. Schnell wird aus der anfänglichen Euphorie und dem Kämpfergeist eine ganz kleine in sich zusammensackende Andrea. Die Tränen kullern, der Geruch ist nicht auszuhalten. Überall höre ich das Knacken von Greten und Knochen. Die sterbenden Fische, Krebse, Vögel, … Hier ist man an all dem nah dran, was in Deutschland eben hinter verschlossenen Türen passiert.
Gegen Mittag brauche ich eine Pause, ziehe mich auf das Gelände eines Wat zurück. Ein Mönch setzt sich zu mir und hat viele Fragen über meine Heimat und im Gegenzug beantwortet er mir meine Fragen über Kambodscha. Leider hinterlässt jede Antwort mindestens zwei neue Fragen.
Tag 2 in Pursat
Der nächste Tag, ich will wieder auf den Markt. Ich werde mir diesen Markt erarbeiten, ihn verstehen lernen. Ich schaue genau hin, wenn die noch klebenden Fische ausgesucht werden und das Schlachten beginnt. Ich bleibe genau an diesen Stellen und laufe nicht weg.
Tag 3 in Pursat
Das Geiche wieder. Aber jetzt ist es anders. Ich kann die Menschen sehen und sie mich. Wir halten ein Schwätzchen, so gut es halt geht. Ich bekomme hier Äpfel geschenkt, dort ein paar Nüsse, eine Banane und immer wieder ein Lächeln. Man zeigt mir genau, was man tut und wie man was isst. Die ein oder andere Vokabel kommt dann auch noch dazu. Man reicht mir die Hand und hält mir das Baby hin.
Tag 4 in Pursat
Ich will wieder auf den Markt. Aber ich kann kaum aufstehen. Mein Kopf schmerzt, wenn ich mich bewege. Mein Nacken ist irgendwie steif. Schmerztabletten helfen nicht. Mir ist schlecht.
Auf dem Weg in die Jungle School hatte ich einen Sturz mit dem Roller, bei dem ich hart seitlich mit dem Kopf aufgeschlagen bin. Kopf- und Nackenschmerzen waren die Folge. Ich hatte das nicht so ernst genommen und nehme an, dass sich das jetzt rächt. Und dieser Markt hat sicherlich auch nicht zur Entspannung beigetragen.
Ich bin also raus für ein paar Tage. Gefällt mir gar nicht. So ist es dann natürlich auch gut, dass Klaus sowieso hier bleiben muss, um seinen Job zu erledigen. Ich mache Pause.
Tag 7 in Pursat
Ich habe es kapiert. Ich schaue mir die schönen Dinge an und was könnte es da Schöneres geben, als das Lächeln der Menschen. Und so habe ich es dann auch geschafft, wieder zu entspannen und so langsam den Kopfschmerz in den Griff zu bekommen. Morgen geht es nun endlich weiter, Richtung Floating Villages. Klaus hat seinen Job erledigt und ich, ich habe unendlich viel über die Menschen gelernt und nehme so unendlich viele lächelnde Gesichter in meinem Kopf mit auf die weitere Reise.
Und auch die Worte einer Marktfrau: Mein Sohn möchte nach Deutschland, aber ich könnte mein Kambodscha nicht verlassen.
Auch wir haben uns eine gewisse Routine geschaffen: Jeden Morgen essen wir an dem gleichen Stand und trinken danach an der gleichen Stelle unseren Kaffee. Mittags gibt es dann einen Eiskaffee und dazu leckere Kuchen und am Abend laufen wir am Fluss entlang zu einem Stand, der Lothar hat.
Was kann so gähnend langweilige Routine doch auch schön sein.
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