Muang Ngoi Neua: Als ich einmal nicht mehr weiterreisen wollte

Reiseplanungen können sich in Theorie und Praxis deutlich unterscheiden. Zum Beispiel wenn dir ein Ort so gut gefällt, dass du viel länger bleibst, als ursprünglich gedacht. So geschehen in einem kleinen Dorf mit einem Namen, der sich als Zungenbrecher eignet, in dem es kein Internet und kein Telefon gibt, und zu dem auch (noch) keine Straße führt.

Die Reise nach Muang Ngoi Neua beginnt mit einer dreistündigen Minibus-Fahrt von Luang Prabang nach Nong Khiaw. Mangels Landweg geht es ab hier auf dem Wasser weiter.

Mit einem Boot fahren wir den Nam Ou hinauf. Grüne Berghänge, durchsetzt von steilen Felsformationen, prägen die Landschaft. Um uns herum herrscht eine so intensive Stille, dass mir der Lärm unseres Schiffmotors unangenehm ist. Der Fluss schlängelt sich durch die Postkartenmotive, Büffel baden im Wasser und nirgends eine Menschenseele. Wir strahlen um die Wette, als wir Muang Ngoi Neua nach einer knappen Stunde erreichen.

Reisebericht Muang Ngoi Neua – Tipps für deine Reise

Früher lebte das Dorf von den Erträgen aus Fischerei und Landwirtschaft, heute ist der Tourismus die Haupteinnahmequelle. Trotzdem sieht es so aus, als hätten sich die Bewohner zumindest einen Teil ihres früheren Lebens erhalten. Die Gärten rund um die Häuser werden zum Gemüseanbau genutzt und auch sonst erinnert alles ein wenig an „Meine kleine Farm“. Überall laufen Hühner und Enten umher, Schweine grunzen und Kühe liegen in der Sonne.

Da das Betten-Angebot die Zahl der Touristen übersteigt, ist es nicht schwer, einen günstigen Schlafplatz zu finden. Von den meisten Restaurants und Unterkünften bietet sich ein hervorragender Blick auf den Nam Ou und die angrenzende Bergwelt. Zu fast jedem Bungalow gehört eine Hängematte auf der Terrasse. Entspanung leicht gemacht, zumal bislang noch keine Autos oder Motorräder die Ruhe stören. Inzwischen ist Muang Ngoi Neua eins der liebsten Ziele beim Backpacking in Laos.

Wandern durch die Natur

Neben der Erholung eignet sich die Gegend perfekt für Wanderungen. Die Landschaft ermöglicht eine einfache Orientierung, so dass für viele Strecken kein Guide nötig ist.

Unser erster Ausflug beginnt mit der Besichtigung einer Höhle in der Nähe des Dorfes. Anschließend geht es weiter durch Wälder und vorbei an Reisfeldern. Wir überqueren mehrere kleine Bäche und begegnen einer Herde Büffel. Immer wieder stoppen wir nach einer Kurve oder auf einer Anhöhe, um die Ausblicke zu genießen. Grün soweit das Auge reicht.

Traurige Vergangenheit

Die Landschaft erinnert an die Kulisse zahlreicher Vietnam-Kriegsfilme. Leicht vorstellbar, dass gleich ein amerikanischer Kampfhubschrauber über der Bergkuppe auftaucht oder ein paar Vietcong aus dem Gebüsch springen. Doch während ich einfach nur zu viele Filme gesehen habe, ist der Krieg für Laos Teil einer traurigen Vergangenheit.

Im Jahr 1964 begannen die USA damit, das Land zu bombardieren, unter anderem, weil hier ein Stück des Ho-Chi-Minh-Pfads lag. In der Folge wurde Laos der Staat, der in der gesamten weltweiten Kriegsgeschichte bis heute (pro Kopf und Bevölkerung) am schwersten bombardiert wurde. Nach offiziellen Angaben warf die US-Luftwaffe bei 580.944 Einsätzen mehr als zwei Millionen Tonnen Bomben ab. Auch Muang Ngoi Neua wurde zerstört. Noch heute sterben jedes Jahr Menschen oder werden verstümmelt, weil alte Munition explodiert. Häufig sind Kinder die Betroffenen.

Gastfreundschaft in Houay San

Nach rund zwei Stunden erreichen wir ein Dorf namens Houay San. Dort gibt es ein Restaurant mit einem großen Tisch, zehn Stühlen und zwei Hängematten. Der Besitzer ist überaus freundlich, erzählt uns über das Leben im Dorf und spendiert schließlich LaoLao-Whisky. Wir spüren ein Brennen im Hals, verziehen leicht das Gesicht und merken, wie sich die Wärme in unserem Körper ausbreitet. Hier lässt es sich aushalten. Doch obwohl es nebenan ein kleines Guesthouse gibt, machen wir uns nachmittags doch auf den Heimweg.

Grundsätzlich sind die Abende in Muang Ngoi Neua recht kurz. Wer vom Wandern, Schwimmen, Klettern oder Kanu-Fahren zurückkommt, ist meist hungrig, so dass die Restaurants bereits ab 18 Uhr gut besucht sind. Bei Beer Lao werden die Erfahrungen des Tages ausgetauscht. Elektrizität gibt es im Dorf nur von 18:30 Uhr bis 21:30 Uhr. Danach wird der Strom wieder abgestellt und mit einem Mal ist es stockduster. Ein Hoch auf die Erfindung der Taschenlampe.

Ausflug zum Wasserfall

Ein weiteres Ausflugsziel in den nächsten Tagen ist ein Wasserfall. Zwei gecharterte Boote bringen uns in ein Dorf flussabwärts. Von hier müssen wir laufen. Schon nach kurzer Zeit finden wir ein handgemaltes Schild mit einem Pfeil und der Aufschrift „Waterfall, 20 Minutes“.

Etwa eine halbe Stunde später erreichen wir das nächste Schild an einer Weggabelung. „Waterfall, 10 Minutes, turn right, upstream the River“. Es stellt sich jedoch heraus, dass die eigentlich klare Anweisung bei näherer Betrachtung reichlich Interpretationsspielraum bietet. Wir kraxeln Berge rauf und wieder runter und verlaufen uns ein paar Mal. Irgendwo hören wir ein Plätschern, aber zwischen uns und dem irgendwo liegt unpassierbares Gestrüpp. Also wieder zurück bis zum Schild.

Was nun? Keinesfalls wollen wir aufgeben und unseren Bootsfahrern sagen, dass die blöden Touristen das Ziel ihres Ausflugs nicht gefunden haben. Daher entschließen wir uns, barfuß durchs Wasser zu gehen. Und tatsächlich finden wir nach einiger Zeit den kleinen verwilderten Pfad, der wohl auf dem Wegweiser gemeint war.

Die Strapazen inklusive Blutegel am Fuß lohnen sich. Der Wasserfall ist auch in der Trockenzeit schön. Ein kleines Becken mit kristallklarem jedoch eiskalten Wasser eignet sich zum Schwimmen.

Nach einer Erholungspause finden wir schnell zurück zum Dorf. Die beiden Bootsfahrer, die fünf Stunden auf uns gewartet haben, sind sichtbar erleichtert, dass wir endlich wieder da sind.

Markttag in Muang Ngoi Neua

Der nächste Tag ist ein besonderer in Muang Ngoi Neua, denn es ist Markt. Bereits um 5 Uhr macht sich von draußen ein reges Treiben bemerkbar. Schon auf der Treppe zum Anleger werden die ersten Waren verkauft. Jede Menge Boote bringen die Besucher aus den benachbarten Dörfern. Und auch wir gehen los, um uns alles näher anzuschauen.

Dabei treffen wir die Mönche auf ihrem morgendlichen Rundgang von Haus zu Haus. Frauen knien am Wegesrand, spenden Reis und andere Speisen. Auf dem Markt gibt es weniger Obst und Gemüse, dafür viele Haushaltsartikel. Männer testen den angebotenen Tabak. Statt Zigarettenpapier werden alte Schulhefte oder Zeitungspapier benutzt. An einem anderen Stand liegen Füße und Beine von Büffeln in der Auslage. Wer sie kauft und wie sie zubereitet werden, können wir nicht herausfinden.

Schöne Zeit

Mittags kraxeln wir auf einen nahegelegenen Berg, um weitere Höhlen zu besichtigen. An einem anderen Tag mieten wir uns Kajaks und paddeln den Nam Ou entlang.

Wir sind länger in Muang Ngoi Neua als alle anderen Touristen zu dieser Zeit. Die meisten bleiben nur ein bis zwei Nächte. Wir sehen die Leute kommen und gehen und haben völlig das Zeitgefühl verloren. Der morgendliche Blick auf den Nam Ou, in dem sich die Berge spiegeln, dazu die gute Luft, die Ruhe, die entspannte Atmosphäre – all das hat uns gut gefallen. Als nach knapp zwei Wochen doch der Tag des Abschieds gekommen ist, sind wir ein wenig traurig. Hier hätten wir es auch gut noch ein Weilchen ausgehalten. Aber der Wunsch, Neues zu erleben und zu sehen, war dann doch stärker.

Als wir unser Boot besteigen, stehen die Besitzer unseres Guesthouse auf der Terrasse und winken uns zu. Wir winken zurück. Es war verdammt schön hier.

An welchen Orten bist du deutlich länger geblieben als geplant?

Die Text ist ein Beitrag für “Die schönsten Dörfer der Welt”.

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