Varkala Beach: Stranderlebnisse mit Touristen und Indern
Der erste Anblick bleibt in Erinnerung. Das Arabische Meer vor Augen, unter uns der Abgrund. Bestimmt zwanzig Meter geht es steil hinab - zum beeindruckenden Strand von Varkala.
Inhaltsverzeichnis
Schnell finden wir eine gute Unterkunft mit dem interessanten Namen Baby House Beach Resort. Zuerst scheint der Preis über dem geplanten Budget zu liegen, und der nette Besitzer will mich schon zum benachbarten Guesthouse begleiten. Dort gebe es günstigere Zimmer. Als er beiläufig fragt, wie lange wir bleiben wollen, antworte ich, dass es mindestens eine Woche sein soll.
Eilig werde ich von ihm zurück ins Treppenhaus verfrachtet. Seine Frau wird gerufen, und nachdem sie zustimmt, bekommen wir ein deutlich besseres Angebot und checken ein. Vorher müssen wir ihm jedoch hoch und heilig versichern, dass wir unseren Zimmerpreis unter keinen Umständen den anderen Gästen verraten.
Varkala Beach – ein Reisebericht
Varkala liegt rund 50 km nördlich von Trivandrum in Kerala. Hier gefällt es mir nach heißen und anstrengenden Tagen in indischen Städten sehr gut. Die kleinen Wege, die vielen Palmen, die gemütlichen Bars, die Stille – hier findet sich eine sehr entspannte Atmosphäre. Zwar ist dieser Ort sicher nicht das wahre Indien, eher ein Backpacker-Ghetto, aber die Voraussetzungen für paar Tage Erholung sind trotzdem perfekt.


Oben und unten
Ganz nah am Klippenrand befindet sich ein schmaler Weg. Auf der einen Seite liegen Restaurants und kleine Geschäfte, auf der anderen geht es steil hinab. Es gibt weder Zäune noch Geländer. Hier trinkt man abends besser nicht zu viel. Und bloß nicht die Taschenlampe vergessen, denn der Strom fällt ständig aus.
An einigen Stellen führen abenteuerliche Treppen hinunter zum Strand. Der Abstieg mit Flipflops ist ein wenig heikel, der Aufstieg schweißtreibend. Unten angekommen gibt es keinerlei Schatten. Daher werden Sonnenschirme zu Wucherpreisen verliehen. Wer länger als zwei Tage bleibt, für den wäre es günstiger, direkt einen zu kaufen, was jedoch nirgendwo möglich ist. Viele lehnen kopfschüttelnd ab, um dann nach einer Weile kleinlaut und gut durchgebraten zurückzukommen und einen Schirm zu mieten.


Am Strand wird einiges geboten, zum Beispiel tolle Wellen. Dabei gibt es kein „Liebe Badegäste, in 10 Minuten beginnt der nächste Wellenspaß“. Stattdessen rollen die Wassermassen ohne Pause Richtung Ufer.
Es ist faszinierend: Ob jung ob alt – alle stehen stundenlang im Wasser und beschwören die Wellen. Hin und wieder sind diese so gewaltig, dass es einen förmlich zerlegt. Manch einer muss daher Badehose bzw. Bikini erst wieder an den rechten Ort rücken, bevor es weitergeht.


Während der Erholungsphase am Strand bieten die Klippen einen spektakulären Anblick. Und ein Highlight ist die Vogelwelt. Adler, Falken und Raben kreisen über dem Wasser, manchmal nur knapp über den Köpfen.
Fischjagd
Hundert Meter vor der Küste werfen Fischer einmal am Tag ein großes Netz ins Meer. Darauf warten die Vögel, denn sie wittern Beute. Wenn das Netz zusammengezogen wird, sind auch aus der Entfernung die Fische sichtbar, die im Überlebenskampf aus dem Wasser springen, um zu entkommen. Aber ringsherum lauern Adler und Co – im Sturzflug schnappen sie sich ihre Opfer.
Doch dann geht die Jagd erst richtig los, denn Futterneid macht sich breit. Obwohl ständig weitere Fische aus den Netzen hüpfen, jagen Falken und Adler nun einander. Wenige Meter über uns finden Kämpfe statt, zum Teil sind vier, fünf Vögel beteiligt. Doch dabei geht immer wieder die Beute verloren. Fische fallen vom Himmel zurück Richtung Wasser, manche werden im letzten Moment wieder aufgefangen, andere tauchen unter. Wer gerade ein Sonnenbad nimmt sollte aufpassen, ein Fisch landet im Sand, ein anderer auf einem Strandtuch. Als die Netze eingeholt sind, entspannt sich die Lage.



Im Gegensatz zu Goa gibt es hier nur wenig fliegende Händler. Doch die zwei Frauen, die Obst, Ananas und Melonen verkaufen, sind rabiat.
„Hello! Pineapple, Madam?“
„-“ (*ignore-Modus ein*)
„Mister?“
„-“ (*ignore-Modus*)
„Watermelon?“
„-“(*ignore-Modus*)
„Watermelon? Madam“
„-“(*ignore-Modus*)
„WATERMELON!?“
Wir sitzen senkrecht vor Schreck auf der Decke, nachdem die Verkäuferin uns ins Ohr geschrien hat. Nach Jahren meldet sich der Tinnitus zurück. Am dritten Tag geben wir auf und kaufen etwas. „Eating, eating, eating, njam, njam, njam, beautiful men, beautiful men“, singt Mrs. Melone freudestrahlend. Alle sind zufrieden.
Strandbeobachtungen
Die Situation an den Stränden Varkalas ist seltsam. Der eine Strandbereich ist voll mit Westlern, am anderen entspannen sich die Einheimischen. Doch viele Gruppen von Indern, hauptsächlich Männer, gehen am Strand spazieren und begutachten die Touristen, vor allem die weiblichen. Machen sie das zu ausgiebig, oder halten sie ihre Erinnerung mit einer Kamera fest, werden sie von einer Gruppe von Bademeistern vertrieben – eine eigenartige Situation. Auch wenn die Spannerei zum Teil nervt, will ich keinen Inder-freien Strand. Und schon gar nicht in Indien.
Ansonsten passieren die meisten Highlights beim Frühstück. Einmal sehen wir eine große Gruppe von Delphinen, mindestens 10 bis 15 Tiere, vor der Küste entlang schwimmen. Am Tag darauf werden wir Zeuge einer Rettungsaktion. Ein Schimmer ist weit draußen und hat sichtlich Mühe, zum Stand zurückzukehren. Als er immer weiter abtreibt, geht es los: Die vier indischen Bademeister, die zuvor hauptsächlich durch den Gebrauch ihrer Trillerpfeifen aufgefallen waren, reißen sich ihre grau-blauen Uniformen, die wie Schlafanzüge aussehen, vom Leib. Darunter kommen überraschend muskulöse, durchtrainierte Körper zum Vorschein.
Keiner von uns war sich in den Tagen zuvor sicher, ob sie überhaupt schwimmen können. Doch nun kämpfen sie sich im perfekten Synchron-Kraul durch die hohen Wellen. Zu viert erreichen sie den abgetriebenen Schwimmer und holen ihn raus. Aus 20 Meter Höhe sind wir Zeuge dieser Rettungsaktion und beeindruckt. Gute Arbeit! Die Bucht von Varkala ist wegen der gefährlichen Strömungen berüchtigt, jedes Jahr ertrinken hier Menschen, daher ist der Einsatz der Rettungsschimmer eine wirklich sinnvolle Sache.
Vielleicht sollte man sich auch noch des Müllproblems annehmen. Oben auf der Klippe liegt eine schöne Promenade, unten ein ebenso schöner Sandstrand. Doch obwohl Tourismus hier die Einnahmequelle ist, stapelt sich an einigen Stellen der Müll. Beim Aufräumen einfach über die Klippe geworfen. Und das Tag für Tag.
Einmal verlassen wir unsere Strandidylle, um Geld zu holen. Schon wenige Hundert Meter hinter den Hotels und Resorts beginnt wieder Indien. Wir gehen an einem Tempelsee in ein kleines Familienrestaurant und bestellen Thali. Neben einer ordentlichen Portion Reis gibt es verschieden Saucen, Dressings und Chutneys. Köstlich! Für drei Personen zahlen wir inklusive einer Flasche Wasser insgesamt nur rund 1,75 Euro. Und alle sind pappsatt. Ein Longdrink am Touristenstrand kostet so viel wie die drei Mittagessen.

In Kerala ist Alkohol eigentlich verboten, aber niemand hält sich dran. Das Bier wird, wenn Polizei im Anmarsch ist, einfach in Kaffeetassen ausgeschenkt. Auf den Beschreibungen der Cocktails fehlt der Alkohol, der aber großzügig serviert wird. Vielerorts gibt es Werbung für das Bier, das es eigentlich nicht geben darf.


Die Razzia
Eines Abends bricht eine gewisse Hektik aus. Bierflaschen werden von den Kellnern eingesammelt und die Cocktailgläser geleert. Wir erfahren, dass die Polizei zu einer Razzia kommt. Kurz danach biegt auch schon der Polizeijeep mit Blaulicht um die Ecke. Drei Polizisten steigen aus und geben sich ärgerlich, zwei Kellner werden abgeführt.
Der Laden ist noch vollbesetzt, die Gäste verfolgen das Schauspiel ratlos. Nach ein paar Diskussionen, vorgezeigten Zetteln und der Ansage eines Polizisten an die Touristen, dass es hier „dangerous“ sei, dürfen die beiden Kellner wieder aussteigen. Die Polizei fährt mit Blaulicht davon.
Später erzählt uns ein Angestellter, dass für die Bar kein Ärger zu erwarten sei. Sie hätten einen guten Deal mit der Polizei und nur ganz selten würde jemand wirklich mitgenommen. Und selbst dann bestünde der Aufenthalt im Polizeirevier aus Tee trinken und Filme schauen. Nach zwei Stunden könne man wieder gehen. Was mit Bakschisch alles möglich ist.
Fotos
Hier noch ein paar Impressionen:










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